In diesem Haus wurde gelebt, gelacht, gelernt, gearbeitet und geschlafen“, erzählt Fleischermeister Gerri Wesche. „Alles unter einem Dach. So lief das die vielen Jahre durchweg.“ Wurstspezialitäten wie Rotwurst, Bratwurst und Sülze werden nach traditionellem Rezept hergestellt, besondere Kundenwünsche auch erfüllt. „Wir machen die Knacker mit oder ohne Paprika, die Bratwurst mit Senfkörnern statt Kümmel, wenn das gewünscht ist“, erzählt der 59-jährige gebürtige Benndorfer, der seit 42 Jahren im Beruf tätig ist. 1981 ist er zwar in der Familienfleischerei eingestiegen, aber: Im elterlichen Betrieb groß geworden, hat er bereits als Kind in den Ferien mitgeholfen, um reinzuschnuppern. „Das ist ja immer von Generation zu Generation übergreifend gewesen und hat sich entwickelt. Je älter man wurde, umso mehr Verantwortung und Aufgaben konnte man übernehmen“, erinnert er sich. „Das hat auch Spaß gemacht, und als ich hier angefangen habe, wusste ich, was für Arbeit dahintersteckt.“
Regionales Fleisch wird verwendet
Sein Fleisch bezieht Gerri Wesche von einem Schlachthof aus der Region. „Dort wird von der Anzucht bis zur Schlachtung alles selbst gemacht. Meine Lieferung kommt ein- bis zweimal in der Woche pünktlich um zwei Uhr in der Nacht. Dann wird 14 bis 18 Stunden produziert.“ Die Pünktlichkeit der Lieferung ist entscheidend. „Darauf muss Verlass sein, damit der Produktionsprozess für mich als Soloselbstständigen planbarer wird“, betont der Fleischermeister. Er ist für alle Prozesse allein verantwortlich: „Ob Zerlegen oder Produktion, Kochwurst nimmt natürlich mehr Zeit in Anspruch als Rohwurst.“ Fleischwolf, Wurstfüller und Mengmaschine sind dann im Einsatz. Ist die letzte Wurst gefüllt, ist aber noch lange nicht Feierabend. Dann folgen Reinigung, Desinfektion, Buchführung sowie regelmäßige Temperaturkontrollen, um die Kühlketten lückenlos nachzuweisen. „Hier muss rund um die Uhr angepackt werden. Da kann man nicht auf die Zeit schauen.“ Das ist zwangsweise mit vielen Abstrichen im Privatleben verbunden. „Man braucht viel Liebe zum Beruf und zum Handwerk, um das durchzustehen“, betont Gerri Wesche. „Mir macht alles Spaß, von der Produktion bis zum Kundengespräch.“
Man braucht viel Liebe zum Beruf und zum Handwerk.
Gerri Wesche, Fleischermeister
Seit 1898 ist die Fleischerei ein reiner Familienbetrieb. Mit ihrem bereits verstorbenen Mann Karlheinz führte Mutter Doris Wesche das Geschäft seit 1967. Im Jahr 2004 übernahm Sohn Gerri Wesche, war jedoch bald auf sich allein gestellt, da sich die heute 78-Jährige aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste. Sie steht ihm aber nach wie vor mit Ratschlägen und ihren Erfahrungen zur Seite. Nun fehlt jedoch der Nachwuchs, der mit anpackt sowie die Familientradition weiterführen könnte. „Es war nie eine leichte Zeit“, meint Gerri Wesche. „125 Jahre Höhen und Tiefen, aber die Krisen zu meistern, da wächst man hinein.“ Gerade die aktuellen Krisen trüben den Weg in den Ruhestand. „Mit den Großmärkten in der Umgebung war es nie so rosig und immer schon ein hartes Kämpfen und Ringen. Mit Beginn der Corona-Pandemie ist dann aber die Auswärtskundschaft sofort weggebrochen. Da kamen nur Einzelne wieder, und auch nicht mehr so wie vorher. Das waren zwei ganz schwere Jahre für mich. Es ging dann nahtlos weiter mit dem Ukraine-Krieg und den steigenden Kosten.“
Das kann man nicht zu 100 Prozent weitergeben und nur sehr schlecht auffangen.
Gerri Wesche, Fleischermeister
Der Energiebedarf ist hoch für die Maschinen zur Produktion, die Kühlung in der Ladentheke, Gefriereinrichtungen. „Alles, was zur Produktion gebraucht wird, auch die Därme und Gewürze, sind um ein Vielfaches teurer geworden. Das kann man nicht zu 100 Prozent weitergeben und nur sehr schlecht auffangen.“ Der Kunde kaufe zwar weiter ein, aber weniger und gezielter. „Die Kundschaft kommt nicht mehr regelmäßig, sondern in größeren Abständen“, erklärt er. Zudem ist der Fleischverkauf total eingebrochen. „Die Leute holen sich ihren Braten, die Rouladen oder die Röster im Supermarkt. Wer berufstätig ist und einkaufen geht, für den ist das bequemer.“ Zusätzliche Konkurrenz entstehe durch die mobilen Fleischer, die regelmäßig im Ort erscheinen. „Das, was ich selber produziere, wird verkauft. Fleisch jeglicher Art gibt es nur noch auf Bestellung.“ Es ist noch ein steiniger Weg bis zum Ruhestand. Die Familientradition endet dann, weil es keinen Nachfolger geben wird. Dass die Fleischerei im Haus integriert ist, macht eine Übernahme ausgeschlossen. Die vorhandenen Geräte und Arbeitsräume sollen dann nur noch zur Selbstversorgung genutzt werden. „Ich habe ja auch noch Hunger, wenn ich Rentner bin“, sagt der Fleischermeister mit einem Lächeln.
Beitrag aus der DHZ 10/2023: Regionalseiten der DHZ