Der Krieg Russlands gegen die Ukraine führt auch zu Problemen auf deutschen Baustellen. So bezieht Deutschland einen erheblichen Anteil seines Baustahls aus Russland und der Ukraine. Wegen gestörter Lieferketten sind viele Materialien nicht zu bekommen oder erheblich teurer geworden. Auch viele erdölbasierte Produkte wie z.B. Bitumen und Kunststoffrohre sind betroffen.
Für die Bundesbauverwaltung und den Verkehrswegebau haben das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) heute Praxishinweise zum Umgang mit diesen Problemen herausgegeben. Neue Verträge sollen mit Preisgleitklauseln versehen werden, die eine Anpassung an die Marktentwicklung ermöglichen. Im Einzelfall sollen auch in bestehenden Verträgen die Preise nachträglich angepasst werden.
Die Praxishinweise gelten ab sofort, zunächst befristet bis zum 30. Juni 2022 und sind ausschließlich für öffentliche Bauleistungen verbindlich.
Bereits im Zusammenhang mit Lieferschwierigkeiten in Folge der Coronapandemie hatte das Bundesbauministerium eine ähnliche Handreichung herausgegeben. Die jetzige Situation ist jedoch noch deutlicher angespannter.
Im Runderlass heißt es etwa:
Verlängerung von Vertragslaufzeiten, § 6 VOB/B:
Sind Materialien aus den eingangs genannten Produktgruppen nachweislich nicht oder vorübergehend nicht, auch nicht gegen höhere Einkaufspreise als kalkuliert, durch das Unternehmen beschaffbar, ist von einem Fall der höheren Gewalt bzw. einem anderen nicht abwendbaren Ereignis im Sinne von § 6 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c) VOB/B auszugehen. Als Rechtsfolge wird die Ausführungsfrist um die Dauer der Nichtlieferbarkeit der Stoffe zuzüglich eines angemessenen Aufschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten verlängert.
Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB:
Sind die Materialien aus den eingangs genannten Produktgruppen zwar zu beschaffen, muss das Unternehmen jedoch höhere Einkaufspreise zahlen als kalkuliert, gilt folgendes:
Auftraggeber und Auftragnehmer haben den Vertrag in der Annahme geschlossen, dass sich die erforderlichen Materialien grundsätzlich beschaffen lassen und deren Preise nur den allgemeinen Unwägbarkeiten des Wirtschaftslebens unterliegen. Sie hätten den Vertrag nicht mit diesem Inhalt geschlossen, hätten sie gewusst, dass die kommenden Kriegsereignisse in der Ukraine derart unvorhersehbaren Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen würden. Zwar weist der Bauvertrag das Materialbeschaffungsrisiko grundsätzlich der Sphäre des Unternehmens zu. Das gilt jedoch nicht in Fällen höherer Gewalt.
Insoweit sind die Ereignisse grundsätzlich geeignet, die Geschäftsgrundlage des Vertrages im Sinne von § 313 BGB zu stören.
Die daran anschließende weitere Frage, ob dem Unternehmen gleichwohl das Festhalten an den unveränderten Vertragspreisen zumutbar ist, kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden. Es gibt keine feste Grenze, ab deren Überschreiten von einer Unzumutbarkeit auszugehen ist. Die Rechtsprechung hat … in einzelnen Entscheidungen Werte zwischen 10 und 29 Prozent Mengen- bzw. Preissteigerung angenommen, bei denen von einer Unzumutbarkeit auszugehen war. Ähnlich uneinheitlich ist das Meinungsbild in der baurechtlichen Literatur, die Angaben bewegen sich zwischen 20 und 25 Prozent, teilweise aber auch bereits bei 15 Prozent Kostensteigerung (vgl. Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, Rn. 66 f.; BeckOK VOB/B, Rn. 34). Dabei ist nicht auf die einzelne Position, sondern auf eine Gesamtbetrachtung des Vertrages abzustellen.
Quelle: Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen