
Fall 1
Auch im Onlinehandel hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht. Er darf sogar mit der Ausübung drohen, wenn er einen günstigeren Preis erzielen möchte.
Ein Verbraucher hatte im Internet zwei Matratzen bestellt. Nachdem er den Kaufpreis an den Händler überwiesen hatte, stieß er im Internet auf ein günstigeres Angebot. Er verlangte von dem Händler, der eine Tiefpreisgarantie abgegeben hatte, die Zahlung des Differenzbetrages von 32,98 Euro. Bei Zahlung wollte er von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht zunächst keinen Gebrauch machen. Als der Händler jedoch nicht einwilligte, widerrief der Verbraucher seine Bestellung – noch innerhalb der gesetzlichen 14-Tage-Frist – und verlangte den kompletten Kaufpreis zurück. Der Händler weigerte sich und warf dem Kunden Rechtsmissbrauch vor. Der Widerruf sei nur erfolgt, um eine eigentlich nicht berechtigte Forderung aus der Tiefpreisgarantie durchzusetzen. Das gesetzliche Widerrufsrecht beim Fernabsatz diene dem Verbraucher nur, um die Ware prüfen zu können.
Dem folgten die Gerichte, in letzter Instanz der BGH, jedoch nicht. Der Händler wurde zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt: Der VIII. Senat des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15) entschied, dass der Widerruf wirksam erfolgt sei. Er war fristgerecht ausgeübt worden. Da das Gesetz auch ausdrücklich festhält, dass der Verbraucher keine Begründung liefern muss, kommt es nicht darauf an, ob eine dennoch gelieferte Begründung korrekt ist. Nach Ansicht der Richter geht es bei dem Widerrufsrecht allein um ein einfach zu handhabendes Recht, den Kauf im Versandhandel rückgängig machen zu können.
Fall 2
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs greift auch nicht, wenn der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, obwohl er die Werkleistung zum Zweck der sofortigen Ausführung bestellt hat.
Ein Autofahrer (Verbraucher) verursachte auf der Autobahn eine Ölspur. Er beauftragte umgehend einen Straßenreiniger (Auftragnehmer) mit der sofortigen Ausführung der Reinigung der Fahrbahn. Bei Vertragsabschluss legte der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Widerrufsbelehrung vor, die nicht der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung (Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB) entspricht; zudem enthielt sie weder den Hinweis auf das im Gesetz vorgesehene Muster-Widerrufsformular, noch wurde dem Auftraggeber ein solches vorgelegt. Als der Auftragnehmer Rechnung über 1.975,43 Euro legte, verweigerte der Auftraggeber die Zahlung. Zwei Monate später widerrief er den Werkvertrag. Daraufhin erhob der Auftragnehmer eine Werklohnklage, die in letzter Instanz vor dem BGH scheiterte.
Der BGH (Urteil vom 20.02.2025, Az.: VII ZR 133/24) stellt klar: Die Ausübung des Widerrufsrechts war weder verfristet noch erfolgte sie rechtsmissbräuchlich. Zwar könne nach europäischem sowie nach deutschem Recht dem Widerruf eines Verbrauchers im Einzelfall Rechtsmissbrauch entgegengehalten werden beispielsweise bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers. Ein Rechtsmissbrauch lag hier jedoch nicht vor. Der Widerruf war auch nicht verfristet, da die 14-tägige Widerrufsfrist mangels einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nicht zu laufen begonnen hatte. Die Widerrufsfrist endete somit erst zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss.
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