Rechtliches Urteil zur Auftragsvergabe

Darf ein Bieter von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, weil er bei einem früheren Auftrag keine Gefährdungsbeurteilung vorgelegt hat?

Justizia
Viktor Hanacek

Der Fall

An einer europaweiten Ausschreibung für die Sanierung eines Schulgebäudes, Fachlos: Dachdeckungs-, Dachabdichtungs- und Klempnerarbeiten, beteiligt sich ein Unternehmen, mit welchem der Auftraggeber zu diesem Zeitpunkt bereits in Vertragsbeziehung für die Dachsanierung einer anderen Schule stand. Dort war eine hohe Konzentration von PAK-16 festgestellt worden. Der Auftraggeber wirft dem betroffenen Unternehmen hier gravierende Pflichtverletzungen, u. a. eine unterbliebene Durchführung und Dokumentation einer Gefährdungsbeurteilung trotz ausgeschriebener PAK-Belastung vor. Das Unternehmen wird von der Wertung ausgeschlossen, wogegen es mit einem Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer vorgeht.

Das Urteil

Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 30.07.2021 – Az.: 1 VK 31/21 – hierzu wie folgt entschieden:

Nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB kann ein öffentlicher Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat. Das Unternehmen hatte die Arbeiten an den Flachdächern der Realschule durch seine Beschäftigten entgegen § 6 Abs. 1 und Abs. 8 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) trotz bekannter PAK-Belastung ohne vorherige Durchführung und Dokumentation einer Gefährdungsbeurteilung verrichten lassen. Selbst auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer wurde eine Gefährdungsbeurteilung nicht vorgelegt. Auch die Bestellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Koordinators entbindet das Unternehmen nicht von seiner Verpflichtung, die Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.

Ein Verstoß gegen die umweltrechtlichen Verpflichtungen – wie vorliegend – stellt nach dem Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/24/EU ein schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten dar. Die Auftraggeberin hat vorliegend in nicht zu beanstandender Weise ihr Ermessen ausgeübt. Nachvollziehbar hat die Auftraggeberin prognostiziert, dass nicht zu erwarten sei, dass das ausgeschlossene Unternehmen den ausgeschriebenen Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen würde, nachdem es selbst im Nachprüfungsverfahren bestritten hat, für die Vornahme einer Gefährdungsbeurteilung verantwortlich zu sein.

Sie sind Mitgliedsbetrieb und haben rechtliche Fragen? Dann melden Sie sich bitte bei:

Dipl.-Jurist Andreas Dolge
Rechtsberater Gräfestraße 24
06110 Halle
Telefon 0345 2999-169
Fax 0345 2999-200
adolge@hwkhalle.de