
Unscheinbar gelegen, in einem kleinen Haus im Süden von Halle, liegt die Töpferei des Töpfermeisters Jörg Heise. Vor dem Eingang befindet sich ein Schild, das auf die Töpferei aufmerksam machen soll. „Heise Töppe – Töpferei geöffnet“ ist darauf zu lesen. Über einen kleinen Durchgang gelangt man zu den Verkaufsflächen. Schon von draußen sind Tassen, Teller, kunstvoll gestaltete Türme und allerlei andere Formen zu erkennen. Die Leidenschaft sieht man den Stücken an. Es wirkt, als hätte Jörg Heise noch nie etwas anderes machen wollen, außer Töpfern. Doch der Schein trügt.
Berufswunsch: Musiker
„Als es darum ging, mich für einen Beruf zu entscheiden, hatte ich zuerst nur die Musik im Kopf. Schon in der sechsten Klasse habe ich in der Schülerband gespielt“ erklärt er. Auf das Töpfern habe ihn seine Mutter gebracht.
Meiner Mutter war es wichtig, dass ich etwas ‚Richtiges‘ mache – Jörg Heise
Die Diplomgrafikerin Hannelore Heise war an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle als Dozentin für Schriftgestaltung tätig. Über sie kam er an eine Töpferlehre in der Hochschulwerkstatt der Burg Giebichenstein in Bürgel, die er von 1980 bis 1982 absolvierte. „In der DDR war es sehr schwer an so eine Ausbildung zu kommen. Meiner Mutter war es aber wichtig, dass ich erst etwas ‚Richtiges‘ mache“, sagt Jörg Heise mit einem Lächeln. Dadurch entdeckte er seine Leidenschaft für Keramik und das Töpfern. Die Musik gab der Töpfermeister jedoch nie auf. Seit jeher spielt er als Schlagzeuger in mehreren Bands.
Zeit für neue Impulse
Seine Meisterausbildung machte Jörg Heise in Gera, während er für die Künstlerin Sigrun Lempe arbeitete. „Das war auch eine Findungsphase für mich und meine Töpferkunst. Ich konnte in der Zeit viel ausprobieren und mich selbst finden,“ erklärt er. Dabei entstand auch das Farbschema, das die Optik seiner Töpferwaren prägt: Blau, grün und braun. „Meine Inspiration waren Vogeleifarben. Um die Strukturen auf meinen Produkten hinzubekommen, verwende ich verschiedene Tauch- und Spritztechniken.“ So findet sich in Jörg Heises Sortiment viel Gebrauchsgeschirr. Tassen, Schalen, Becher und Teller mit geometrischen oder organischen Mustern. Aber auch spektakulärere Objekte sind dabei. Beispielsweise seine Leuchttürme, die aussehen, als kämen sie direkt aus einem Fantasyfilm. „Die Idee dafür habe ich bekommen, als ich in New York war. Mich faszinierten die Wolkenkratzer und wie sich das Licht in ihnen reflektierte. Diese Elemente habe ich dann schließlich nach einigem Ausprobieren in meine Leuchttürme integriert.“
Eine eigene Töpferei
Nach der Meisterausbildung absolvierte Jörg Heise seinen Wehrdienst. Schon währenddessen suchte er nach Gewerberäumen für eine eigene Töpferei. Im halleschen Böllberg/Wörmlitz konnte er schließlich noch vor der Wende ein Gebäude für wenig Geld erwerben. Es handelte sich dabei um das Nebengebäude einer ehemaligen Gaststätte, in der ein Tanzsaal mit einer Bühne stand. „Das war schon lustig, als ich in das Haus reinging und dort die Bühne sah. Die Kulisse kenne ich sonst nur von meinen Auftritten mit den Bands. Jetzt sollte darin mein Töpferstudio entstehen“, erinnert sich der Töpfermeister. Vielleicht war es Schicksal.

Viel Hilfe durch Familie
Durch den Schwiegervater, der aus dem Bau kam, konnte das Gebäude günstig grundsaniert werden. Den Bau finanzierte Jörg Heise mit seiner Musik. „Es war großes Glück, dass ich an das Haus gekommen bin“, erinnert er sich. Anders wäre seine Arbeit, so wie sie jetzt ist, wohl nicht möglich gewesen.
Ich hatte immer viel Hilfe von meiner Familie. Dafür bin ich sehr dankbar – Jörg Heise
Viele Betriebe leiden heute stark unter den steigenden Mietkosten. Diese Zusatzbelastung habe der Töpfermeister nicht. „Außerdem hatte ich immer sehr viel Hilfe von meiner Familie. Besonders meine Frau Trixi hilft sehr viel, beispielsweise im Verkauf und auf Töpfermärkten, wenn ich gerade mit einer meiner Bands spontan unterwegs bin. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Ein Markt, viele Möglichkeiten
Ausbilden kann Jörg Heise in seinem Einmannbetrieb nicht, dennoch liegt ihm die Nachwuchsförderung am Herzen. So ist er auch an der Organisation des Halleschen Töpfermarktes beteiligt und dabei Mitglied der Jury. Sie empfiehlt, wer am Töpfermarkt teilnehmen kann. Dabei wird insbesondere auf Professionalität der Aussteller und gutes Handwerk geachtet, aber auch die Vielfalt und Abwechslung auf dem Markt berücksichtigt. So erhalten beispielsweise Jungkeramiker von der Burg Giebichenstein die Chance, ihre Arbeiten zu präsentieren, ohne eine Standgebühr zahlen zu müssen. Konkurrenz unter den Ausstellern empfindet der Töpfermeister nicht als problematisch: „Die Vielfalt auf dem Markt ist so groß und die Töpferwaren sind so unterschiedlich. Jeder Besucher findet etwas, und jeder Stand verkauft etwas.“
Gelebte Kultur
Dass das Töpferhandwerk inzwischen von der deutschen Unesco-Kommission als immaterielles Kulturerbe aufgenommen wurde, spiegelt für Jörg Heise die kulturelle Bedeutung seiner Arbeit wider. Es geht nicht nur um das Herstellen von Keramik, sondern um die Pflege und Weitergabe von Gestaltungstraditionen, handwerklichem Wissen und ästhetischem Ausdruck. Kultur zu schaffen und zu erhalten – das spiegelt sich auch in seiner Tätigkeit als Musiker. Für Jörg Heise ist das ein wesentlicher Teil seiner Lebensqualität: selbstbestimmt zu arbeiten und verschiedene Formen kultureller Gestaltung miteinander zu vereinen. So wird aus alltäglicher Arbeit ein persönlicher und gesellschaftlicher Beitrag zur gelebten Kultur.